Während der langen Geschichte der Ratsapotheke sind hier viele würdige Männer als Apotheker tätig gewesen. Besondere Ehre gebührt der Familie Burchart. In den Jahren 1582–1911 befand sich die Apotheke zehn Generationen lang im Besitz dieser Familie. Gemäß der Familientradition wurde der älteste Sohn immer mit dem Namen Johann getauft und erlernte den Apothekerberuf.

1911–1940 gehörte die Ratsapotheke den Familien Lehbert und Schneider. 1908 begann P. R. Lehbert, im hiesigen Laboratorium das Präparat „Ferratol“ für die Behandlung der Blutarmut herzustellen. Das Präparat gilt als das erste Erzeugnis der estnischen Pharmaindustrie.

Darüber, was im Mittelalter in der Ratsapotheke verkauft wurde, gibt die TAXA, die Preisliste der Apothekenwaren aus dem Jahre 1695, Auskunft. Diese beinhaltete 54 verschiedene Wässer, 25 Fette, 128 Öle, 20 Tinkturen, 49 Salben, 71 Heiltees usw. Die Liste enthielt auch solch eigentümliche Heilmittel wie gebrannte Bienen, Hengsthufe, versengte Igel, Regenwurmöl, weich gebleichte Hundefäkalien u.v.a. Ebenso war Marzipan aufgelistet und wurde zur Linderung von Liebeskummer und zur Gedächtniswiederherstellung angewendet.

 

 

Die Ratsapotheke war die älteste medizinische Institution in Tallinn. Während der langen Geschichte gab es Perioden, in denen der Apotheker zugleich ein gelernter Mediziner und der Stadtarzt war. In die Ratsapotheke kam man nicht nur, um Arzneimittel zu kaufen, hier erhielt man auch seelische Hilfe.

Zugleich ist die Ratsapotheke das älteste Handelsunternehmen in Tallinn, das sich stets im gleichen Gebäude befunden hat. Hier wurden Papier, Tinte, Tabak, Pfeifen, Spielkarten, Fackeln, Stoffe, Schießpulver, Salz, Gewürze u.v.a. verkauft.

Die Ratsapotheke könnte man etwa mit einem heutigen Kaffeehaus vergleichen: dort kehrte man ein, um Tee oder Klarett zu trinken, Neuigkeiten zu erfahren und weiterzuerzählen. Überlieferterweise fungierte die Ratsapotheke auch als Treffpunkt der Ratsherren und anderer wichtiger Personen. Hier trank man gemeinsam Klarett, beriet sich und schloss Vereinbarungen. Es ist anzunehmen, dass gerade hier das Schicksal von Tallinn wesentlich mitentschieden wurde.